Wie Museumsdirektor Dr. Güthling kürzlich
fest- stellte, bewilligten die städtischen Körperschaften Siegens am 14. F e b r u a r 190 1 zum erstenmal
Mittel für die von Oberlehrer Dr. E s k u c h e zusammengetragene heimatkundliche Sammlung des
damaligen Realgymnasiums. Damit begann diese Sammlung über den Rahmen der Schule hinaus eine öffentliche Angelegenheit zu werden und sich schon nach wenigen Jahren zum Museum des Siegerlandes zu entwickeln. Dieses blickt somit als städtische
Einrichtung heute auf das erste halbe Jahrhundert seines Bestehens zurück. Im März 1905 wurde ein Teil der Sammlung als Grundstock eines nunmehr öffentliehen Museums in das Obere Schloß verlegt, in dem der damalige Stadtbaurat S c h e p p i g die
erforderlichen Räume hatte herrichten lassen. Er übernahm auch die Aufstellung der Gegenstände und deren
weitere Betreuung. Nach der Gründung des Siegerländer Heimatvereins am 4. Januar 1911
— sein vierzig- jähriges Bestehen soll im Mai gefeiert werden
— wurde dessen Schriftführer Dr. Hans K r u s e die Leitung des Museums übertragen. Wenn somit als
dessen Begründer Dr. Eskuche oder Stadtbaurat Scheppig angesprochen werden kann, so wird doch auch die am Oberen Schloß durch den
Museumsverein angebrachte Gedenktafel für Dr. Kruse die ihn als solchen bezeichnet, dem Tatbestand gerecht, denn er hat das Museum aus seinen bescheidenen Anfängen zu einem solchen Umfang entwickelt, daß 1937 das ganze Obere Schloß für die Aufstellung und Pflege des Museumsgutes bereitgestellt werden mußte, wofür insgesamt 60 Räume nötig waren. Das Sie- gerländer Heimatmuseum war weit und breit das größte und konnte den Anspruch auf die Bezeich- nung
„Landesmuseum“ erheben, die ihm allerdings
infolge der Kriegsverhältnisse behördlich nicht mehr zugesprochen wurde.
Diese Ausweitung des Museums ist in erster Linie
der Tatkraft Dr. K r u s e s zu verdanken. Mit ihm trat ein Mann in den bereits bestehenden kleinen Kreis der Siegerländer
Heimatfreunde, der ihren heimatkundlichen und heimatpflegerischen Bestrebungen 30 Jahre lang einen außerordentlichen Auftrieb zu geben vermochte. Von einer Siegerländer Mutter geboren und durch sein Studium bereits der Geschichte des Siegerlandes eng verbunden, ja geradezu innerlich verpflichtet, hat er der Siegerländer Heimatkunde durch eine Reihe von wissenschaftlichen
Werken, durch die Herausgabe von 22 Jahrgängen der Zeit schrift des Heimatvereins „Siegerland" und von 21 Jahrgängen des Siegerländer Heimatkalenders, durch eine sehr große Zahl von Aufsätzen in
Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, durch Vorträge und bedeutsame Ausstellungen im Oberen Schloß die anerkannt wissenschaftliche Grundlage gegeben. Es wird in Deutschland kaum ein zweites so kleines
Gebiet wie das Siegerland zu finden sein, das eine so ausgeprägte, eine so verwurzelte und so weit geförderte, von der Wissenschaft anerkannte Heimatkunde
besitzt, wie das Siegerland.
Dr. Kruse wußte auch die erforderlichen
Mitarbeiter für diese Arbeit heranzuziehen und ihren Nachwuchs heranzubilden, also die Menschen zu
gewinnen, die die Heimatbewegung innerlich trugen und sie zu entwickeln imstande gewesen wären. Wie auf allen Gebieten hat auch hier der Krieg eine
grau same Ernte gehalten, aber ein fruchtbares Leben und Schaffen regt sich wieder in der Siegerländer
Heimatkunde, wie die Veröffentlichungen des Heimatver eins seit 1947 beweisen.
Diese Dinge müssen im Zusammenhang des 50jäh rigen Bestehens des Museum nicht nur erwähnt, sondern besonders stark betont werden. Kein
Mu seum kann ohne eine geistige Grundlage bestehen. Diese muß die
Voraussetzung für die Sammlung, Sichtung, Aufstellung und besonders für die
Ver lebendigung des Museumsgutes schaffen. Die in einem Museum vorhandenen Gegenstände bleiben tot, unfruchtbar für das Leben der Gegenwart und sind damit wirklich nur museal, wenn sie nicht in die
Zeit ihrer Entstehung gestellt werden und in die ser gesehen und erlebt werden können. Nur dem |
Geschichts- und Kulturkundigen werden sie lebendig erschließen sie
das Leben der Menschen, die sie geschaffen haben und mit ihnen umgegangen sind.
Für den Nichtkundigen bleiben sie merkwürdige Überreste der Vergangenheit, an denen er
beim Besuch eines Museums schnell vorübergeht, wie man immer wieder
beobachtet.
Dr. Kruse hätte diese geistige Leistung nicht vollbringen
können, wenn er sich nicht als Träger der gesamten Arbeit den gleichzeitig mit seiner
Bestellung zum Museumsleiter gegründeten Heimatverein geschaffen hätte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dessen Aufblühen und seine weitreichende Wirksamkeit sein Werk sind. Nur mit Hilfe des Vereins konnten die Zeitschrift und der Kalender gedruckt und die Bevölkerung
für den Heimatgedanken und das Museum gewonnen werden. Auch an der
Veröffentlichung der wissenschaftlichen Werke Dr. Kruses hat der Verein
weitreichenden Anteil, wenn auch für diese meist noch Zuschüsse von der
öffentlichen Hand gegeben wurden. Der Verein ermöglichte auch den Druck der Werke der
Mitarbeiter Dr. Kruses. Das Museum hätte ohne diese geistige Arbeit
des Heimatvereins niemals in dem Ausmaße weiterentwickelt werden können, wie es geschehen ist und sein weiteres Bestehen ist nur auf der
vom Heimatverein geschaffenen Grundlage möglich. Wäre sie nicht vorhanden und
würde sie nicht weiterhin gestärkt, so würde das Museum gerade in der heutigen
Zeit mit ihren außerordentlich schwierigen wirtschaftlichen Nöten und ihrem
Zurückdrängen aller geistigen Werte sein Echo in der Bevölkerung verlieren und schließ lich verkümmern. Diese aus dem
Idealismus Dr. Kruses und seiner Mitarbeiter geschaffene geistige und sich auch sittlich auswirkende Leistung ist gar nicht abzuschätzen.
Aber der Heim atverein hat
das Museum auch materiell gefördert. Er hat eine umfassende heimatkundliche Bücherei zusammengetragen und sie
der Stadtbücherei übereignet, wodurch sie der breiten Öffentlichkeit zugängig geworden ist, und ergänzt sie weiter durch laufende
Zuweisungen. Er hat wie jeder in den einschlägigen Berichten seiner
Zeit schrift „Siegerland“ nachlesen kann, überdies auch einen wesentlichen Teil des Museumsgutes erworben und dem Museum überlassen und damit der Stadt große Werte verschafft. Diese gewährt ihm
dankenswerterweise ein Heim im Museum und fördert ihn zur Zeit auch noch in
anderer Weise. Sie zeigt damit, daß sie auch ihrerseits nicht auf die
Zusammenarbeit zwischen ihn und dem Museum verzichten möchte.
Es muß aber in diesem Zusammenhang auch noch eines zweiten Vereins gedacht werden, der an der Entwicklung des Museums weitgehend beteiligt, in der Öffentlichkeit aber weniger bekannt ist, des Vereins der Freunde und
Förderer des M u s e ums (Museumsverein). Dr. Kruse hat ihn 1937 bei der Erweiterung des Museums mit einigen Heimatfreunden vorwiegend aus der Industrie gegründet. Er sollte
das Museum vor allen Dingen materiell durch namhafte Zuwendungen fördern, wenngleich seine Satzungen auch die Unterstützung
der vom Heimatverein betriebenen wissenschaftlichen Arbeit ermöglichen. Der Verein hat damals, als das Museum seinen
heutigen Umfang und seine heutige Gestalt erhielt, durch Spenden 112 000,—
RM für den Um- und Ausbau des Stein- und Fachwerkbaus auf gebracht und wenig
später weitere 36 000,— RM für bedeutsame Ankäufe von wertvollem Museumsgut zur Verfügung
gestellt. In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Zuwendungen
durch diesen Verein und als durch Kriegseinwirkungen das Museumsgebäude,
das Obere Schloß, schwer beschädigt wurde, bot er der Stadt weitreichende Unterstutzung beim
Wiederaufbau an. Dieser konnte infolge widriger Umstände nicht in dem von ihm
gewünschten Tempo erfolgen. Der Verein hat aber seit 1947 bereits wieder erhebliche Betrage zu diesem Zweck gesammelt und es steht zu hoffen, daß, wenn
die wirtschaftliche Entwicklung normal verläuft, in diesem Jahre das Obere
Schloß in seiner alten Gestalt wiederhergestellt wird. |
Bereits in Kürze
wird der „Turm“, das Wahrzeichen Siegens, die Burger der Stadt wieder von der
Höhe des Siegberges grüßen.
Von den heute schon wieder gezeigten
Gegenständen des Museums, die der Museumsverein erwarb, seien nur die 1939
aus dem Besitz des Landgrafen von Hessen-Philippstal gekauften 19
Porträts von Angehörigen des Hauses Nassau-Oranien, genannt. Zu sammen mit den im Museum bereits vorhandenen Bildern von
nassauischen und oranischen Grafen und Fürsten bildet diese Sammlung nun wohl die
größte ihrer Art aus der das holländische Königshaus seine eigene durch einige
Stücke ergänzen möchte, ferner das barocke Gestühl im Oraniersaal, das ebenfalls aus |
Hessen-Philippstal stammt, der 1950 aus dem Schloß
Wittgenstein erworbene prachtvolle Renaissancespiegel, eine Büste des Stadtbaurats Scheppig von
Hermann Kuhmichel, ein Porträt des ehemaligen Vorsitzenden des Vereins, Carl
Dresler, von Hans Achenbach, sowie eine Glasmalerei von Alois
Stettner, den Heiligen Martin darstellend.
Die beiden Vereine werden auch in Zukunft das
Museum unterstützen und in seiner Weiterentwicklung fördern, der eine mehr in geistiger, der andere
ü berwiegend in materieller Hinsicht. Möge die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts des Museums ebenso
v on Erfolg gekrönt sein wie die erste. |