Josef Gabriel
Frey
Maler in  W E Y E R

Artikel
aus:

Josef Gabriel Frey
Ein Maler in Weyer
1791–1884

Ausstellungskatalog 1984

Von Claudia Wacha

Gerade in den letzten Jahren wendet sich das Interesse eines künstlerisch orientierten Publikums dem ländlichen Produktionsraum zu. Es ist Ausdruck für heimat- und naturbetonende Wünsche einer Industriegesellschaft, Signal für ihre Krisen. Man sucht eine Unbelastetheit und angebliche Ursprünglichkeit nicht nur im Leben auf dem Lande, im Nachempfinden der Gewohnheiten und Ornamente seiner Bewohner.

Eine verstärkte Beachtung, Erforschung und daraus resultierende Vermarktung wird den künstlerisch tätigen Personen des ländlichen Raumes zuteil. In einer ähnlich romantischen Zeit des 19. Jahrhunderts hatte der Künstler, dem diese Zeilen gewidmet sind, teilweise überregionalen Erfolg. Heute findet aus ähnlichen Bedürfnissen einer Volkskünstlerromantik entspringend, sein gesamtes Werk Beachtung.

Josef Gabriel Frey – in Weyrer Original, so lautet die Überschrift der frühesten und umfangreichsten schriftlichen Beachtung des Malers durch Josef Ganslmayr. Else Giordani erwähnt seine Arbeiten als „recht primitiv und künstlerisch unbedeutend“ in der Monographie über die Linzer Hafner-Offizin. Mit überlieferten „G'schichtln“ vom erstgenannten Autor und Werturteilen der Kunstgeschichte gespeist, machten sich meine Kollegin Margret Resch und ich im August 1983 auf die Spuren des Malers. Der Raum, in welchem wir etwas in Erfahrung bringen wollten und konnten, war so wie die Bedeutung des Zeichners und Malers regional begrenzt. Als Volkskünstler, ein heute so populäres Wort, könnte man den Laienmaler bezeichnen. Der in Weyer ansässige Handwerker mit dem Beruf des Lederers war also gerade für uns Studentinnen vom Fach der Volkskunde von Interesse.

LITHOGRAPHIEN
Josef Gabriel Frey nahm mittels der gesellschaftlichen Funktion, die ihm sein bürgerlicher Beruf auferlegte, direkt am Geschehen des Marktes Weyer teil. Jenes verarbeitete er als Hobbymaler in noch heute im Ort befindlichen Bildern. Andererseits benutzte er sein zeichnerisches Talent als bezahlter Lithograph von topographischen Ansichten. Hierin ist er ein Vertreter des Biedermeier, einer städtisch-bürgerlichen Lebensform der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sein zeichnerisches Werk verdeutlicht die Vorliebe der Epoche für liebliche Ansichten.

Die Lithographien wurden sämtlich bis auf ein Andachtsbildchen in der Druckerei des Josef Hafner in Linz gefertigt. Jene Ausnahme, ein Bild des heiligen Sebaldus vom Heiligenstein,

bei „Ph. Krausslich in Linz-Urfahr“. Da Josef Gabriel Frey kein sehr kontakt- und reisefreudiger Handwerker gewesen sein kann, stellt sich hier die Frage nach dem Zustandekommen seiner geschäftlichen Verbindungen. Ein Hinweis in Bezug auf die Linzer Hafner-Offizin findet sich im Stammbuch des Sohnes von Josef Hafner, Carl Hafner. Ein „Onkel Anton Hafner in Weyer“ hatte ein Blatt eingelegt (Katalog – Hafner-Offizin, S. 26). Womöglich ist der Künstler über jene Verwandtschaft zu den langjährigen und scheinbar auch sehr freundschaftlichen Beziehungen mit Josef Hafner in Linz gelangt.

Es sind Unterlagen erhalten, welche uns den Werdegang der Lithographien verdeutlichen können. Josef Gabriel Frey begann mit einer für Vorzeichnungen schon ziemlich exakten und vollständigen Skizze. Ein Skizzieren zur Übung, als Verbesserung des Könnens, oder ohne bestimmte Ereignisgebundenheit, spontan und intuitiv, das kam beim Lederermeister nicht vor. Man erkennt sein Bestreben, wahrheitsgetreu zu beobachten und naturalistische Details des Bildausschnittes festzuhalten. Dazu wurde von vornherein ein attraktives Thema gewählt – alle seine Ortsdarstellungen sind objektgebunden, Personen dienen lediglich als Staffage. Die fertige Zeichnung wurde danach spiegelverkehrt übertragen, bereit für den Steindruck. Die Übertragung auf den Stein erfolgte dann in der Linzer Offizin.

Die erhaltenen Lithographien zeigen einen überlegten Bildaufbau, sich wiederholend nach einem einfachen System. Auf einer Ansicht des Marktplatzes in Weyer ist z.B. zu erkennen, dass eine notwendige Perspektive mittels Vergrößern und Verkleinern des Dargestellten erreicht wird. Wie über eine aufgeklappte Bühnenfläche gleitet das Auge des Betrachters vom unteren Bildrand gleichmäßig in die Tiefe und erreicht den Horizont über der Bildmitte als Hintergrund. Der Horizont der Schaufläche ist hochgezogen, um mehr darstellen zu können, als man eigentlich von jenem erhöhten Betrachtungspunkt aus erkennen könnte. Ein Mittel, einem Betrachter die gewünschte Ansicht überblickbarer aufzubereiten.

Oft hat Josef Gabriel Frey aus eben diesem Bestreben ihm wichtig Erscheinendes in seinen Bildern mittels Vergrößern oder einer kräftigeren Linienführung oder – was nur auf seine gemalten Werke zutrifft – mittels einer speziellen Farbigkeit hervorgehoben. Feinheiten, verursacht durch das Spiel des Lichtes, wie Sonnen- und Schattenflächen, beachtete er nicht. Die Aussage der Objekte, welche sich meist auf die Tatsache beschränkte, dargestellt zu werden, war ihm wichtig, nicht deren künstlerische Wirkung!

Das lithographische Werk kann grob in zwei Gruppen geteilt werden: bühnenartige Innenraumdarstellungen (darunter verstehe ich sowohl eine Tanzszene in einem Gasthof als auch Marktplatzansichten und Veduten) diverser Ortschaften. Ein Charakteristikum deren narrativer Darstellungsweise sind die Vordergrundfiguren. Biedermeierliche Spaziergänger verraten einen Einfluss der Romantik, Zirkusfiguren, Uniformierte, Berittene und Marktleute beleben jeweils als reale Attraktionen den Raum zwischen den Fassaden der Häuser. Betrachtende Figuren vor Veduten sollen stellvertretend für jeden Betrachter außerhalb des Bildes sein. Sie sollen das nüchtern-topographische Thema auflockern, sind jedoch nie Hauptthemen der Freyschen Blätter.

Den Grund dafür sehe ich in der geschäftsmäßigen Verbreitung seiner Werke, gebunden an Aufträge, die sich wiederum an der Nachfrage, dem Publikumsgeschmack folgend, orientierten. Dass sich Ansichten von Ortschaften aus dem nieder­ und oberösterreichischen Grenzgebiet auch in Form von Briefköpfen auf Briefpapier finden, beweist deren Beliebtheit. Vergleicht man seine Veduten mit Beispielen aus seinem malerischen Werk, so werfen stilistische Unterschiede die Frage nach eventuellen Vorbildern auf. Für sein lithographisches Werk finden sich Merian-Stiche aus dem 17. Jahrhundert als Vorlagen, für sein malerisches sind keine offensichtlich.

Leider weiß man nur sehr wenig über die Aufträge, welche der Druckereibesitzer Josef Hafner seinem Weyrer Zeichner gegeben hat. Ein Brief von Hafner an Frey ist erhalten, er verrät einen guten freundschaftlichen Kontakt und gibt Aufschluss über das Ende der gemeinsamen Geschäftsbeziehung nach Auflösung der lithographischen Anstalt in Linz im Jahre 1863.

Josef Gabriel Frey war kein Meister, der nach Entfaltung seines Talentes strebte, ehrgeizig übend in Skizzen und Studien. Er benutzte seine künstlerischen Fähigkeiten, um sich narrativ in Bildern auszudrücken, um Gegebenen oder sich Ereignendes der Wichtigkeit entsprechend festzuhalten. Dass der Schwerpunkt seiner Produktion dabei seinen Arbeits- und Lebensbereich Weyer betrifft, ist verständlich. Erst mit Hilfe der Lithographien wächst der räumliche Radius seines Werkes auf das Gebiet zwischen den Flüssen Enns und Erlauf. In der Zeit vor der Eisenbahn. in welcher das gesamte gedruckte Werk entstanden war, bedeutete dies vermutlich einen durch­ schnittlichen Bewegungsradius im Leben eines ländlichen Handwerkers.


Marktplatz Weyer gegen die St. Johanneskapelle
(im Katalog nicht gelistet)
vorne: Ankunft eines Wanderzirkus

FAMILIE, BERUF
Folgen wir der Überlegung, dass je der Mensch von seinen Beziehungen zu Familie und Umwelt hinsichtlich Charaktereigenschaften bis zu Eigenheiten geprägt wird, so muss angenommen werden, dass sich Wesenszüge in all seinen Aktivitäten widerspiegeln. Obwohl die Lebenszeit nur hundert Jahre zurückliegt, gibt es über unseren Künstler keine mündlich überlieferten Berichte. Folglich mussten wir über den Umweg seines Werkes in seine Lebenswelt eindringen. Aus Notizen und Fotographien versuchten wir zusätzlich mehr über die Persönlichkeit des Josef Gabriel Frey zu erfahren.

Biographische Daten, welche das Pfarrarchiv in mühsamer Nachforschung auf Tauf- und Sterbeurkunden ergab, bildeten hierfür den Rahmen.

Josef Gabriel Frey wurde als Sohn des Johannes Georgius Frey und der Maria Anna Stadlmayrin am 3. März 1791 in Weyer-Markt geboren. Es wird behauptet, er wäre bereits das neunte Kind gewesen (Lemoch, Kulturbericht), über ältere ist jedoch nichts überliefert, obwohl seine Eltern damals bereits sieben Jahre verheiratet waren. Laut den Angaben auf der Grabtafel der Familie Frey wurden insgesamt zwölf Kinder außer ihm geboren, fünf davon starben als Minderjährige, vier jüngere Geschwister scheinen lediglich in den Urkunden des Pfarrarchivs auf. Dort wird von ihm als ältesten Sohn berichtet, der zweitälteste, ein lgnatius, starb einige Wochen nach seiner Geburt 1801 an der „Fraiß“. Dazwischen sind zwei Töchter zur Welt gekommen, Maria Rosa und Katharina Frey. Maria Rosa wurde am 21. Jänner 1793 ebenfalls im Hause Weyer-Markt 30 geboren. Aus einer Notiz Josef Gabriels in seinem Tagebuchkalender von 1861 geht hervor, dass sie in diesem Jahr „Mit Sack und Pack“ als Witwe eines Lehrers aus Graz nach Weyer zurückkehrte. Die Witwe Rosa Kager starb mit 92 Jahren, nur zwei Monate vor ihrem älteren Bruder Josef Gabriel, an „Herzbeutl-Wassersucht“. Letzterer konnte noch mit dem jüngsten Bruder Ignaz eine Grabtafel für sie und eine Familie Thallner anfertigen. Eine zweite Tochter Theresia, verheiratet mit Engelbert Paumgartner, starb – 67 Jahre alt – am 5. Mai 1869, wie Frey in der Jahresübersicht in seinem ersten Geschäftsbuch fest­hält. Sie hinterließ eine Tochter Karolina.

Die dritte überlebende Tochter der Eltern Freys hieß Katharina. Geboren am 15. Oktober 1804, heiratete sie mit 34 Jahren einen Martin Schrafl aus Tirol und scheint seit dieser Eintragung nicht mehr in Weyrer Urkunden auf. Aus dem Geschäftsbuch ist bekannt, dass sie im Juni 1849 zu Besuch in Weyer war. Am 29. Juli 1808 kam schließlich ein Sohn zur Welt, welcher den Namen des Verstorbenen erhielt: Ignatius. Dieser lernte dasselbe Handwerk wie sein Vater und arbeitete gemeinsam mit seinem Bruder Gabriel in der ihnen gehörigen Lederei in Weyer. Als 18 Jahre jüngerer „Bua“ muss er im Schatten der dominierenden Meistergestalt des Bruders gestanden sein. Fotographien belegen seine Zurückhaltung, er steht eher im Hintergrund, hingegen Josef Gabriel mit geschwellter Bürgerbrust selbstbewusst und beschützend im Vordergrund.

Über das Leben der Eltern war nicht viel in Erfahrung zu bringen. Vielleicht weist eine erhalten gebliebene Bestätigung der Grundbucheintragung durch den Marktrichter im Jahre 1837 auf das Ableben eines Elternteiles und die Übergabe des Hauses an die Söhne hin?
Die Söhne lgnaz und Josef Gabriel verbrachten ihr ganzes Leben im Elternhaus. Bis 1838 noch gemeinsam mit der Schwester Katharina, nach deren Wegheirat dann über zwanzig Jahre in einem Junggesellenhaushalt.

Der Tagebuchkalender „Der neue Linzer Bothe“ birgt neben den tagtäglichen Eintragungen zur Wetterlage nur wenige Familienbegebenheiten. Josef Gabriel bemerkte darin, wie erwähnt, dass seine Schwester Maria Rosa zurückgekehrt war und wahrscheinlich bis zu ihrem Tod am 20. April 1884 im Haus blieb. Zwischen ihrem und dem Tod Josef Gabriels liegen nur zwei Monate. Letzterer starb laut Eintragungen im Pfarrarchiv am 10. Juni 1884 in Weyer-Markt 30 als „Frey Josef“ mit 93 Jahren an Entkräftung. Am 12. Juni 1884 fand das Begräbnis statt.

Gab es einen Grund weshalb die beiden Frey-Söhne 'unverheiratet geblieben waren?' Wie verbrachten sie ihre Zeit, welche Kontakte pflegten sie? Wir glauben, ein Stückchen romantischer Jugend Josef Gabriels gefunden zu haben, in einem Vers auf einem Stammbuchblatt von 1812. Ein Idealbild einer Freundschaft wurde darin verehrt, was uns sofort an eine frühe unglückliche Liebe denken ließ. Bis wir dann aus viel späterer Zeit ein Schriftstück mit Zeichnung und Fotographie zum selben Thema fanden. Die Freundschaft vergleicht Josef Gabriel hierin mit einem Felsen, der der stärksten Brandung trotzt. Hatte sich seine Idealvorstellung einer Freundschaft höchstwahrscheinlich in Bezug auf Männer realisiert?

Der Lederermeister aus Weyer nahm jedes Thema, mit dem er sich beschäftigte, sehr ernst. Egal, ob er sich mit einem Ereignis im Ort befasste oder die Wetterlage beschrieb oder die Folgen eines Erdrutsches untersuchte oder die neugebaute Trasse der Eisenbahn kritisierte, jedes Thema bot für ihn zu bedenkende Alternativen. Wenn wir seine an Pedanterie reichende Genauigkeit in allen Aufzeichnungen betrachten, erkennen wir in Josef Gabriel einen selbstbewussten, unbeugsamen bis starrköpfigen Charakter. Wohl überlegt und in der Meinung, der einzigen für ihn vorstellbaren Gerechtigkeit Genüge zu tun, handelte, schrieb, zeichnete und malte er. War er von etwas überzeugt, so gelang es vermutlich keinem, ihn umzustimmen oder abzuhalten. Was für einen Aufruhr muss er verursacht haben, als in den vierziger Jahren das Haus der Bürgerfamilie Frey, Unterer Markt 30, nach seinen phantasiereichen Plänen, bar jedes architektonischen Bezugs zur regionalen Tradition, umgebaut wurde!

Wie er darin seinen Alltag verbrachte wissen wir nicht. Seine persönlichen Aufzeichnungen im „Neuen Linzer Bothen“ beschränken sich auf tägliche Eintragungen zur Wetterlage sowie auf Notizen über die Preise gewisser Objekte. Erhalten sind solche Tagebuchkalender von 1855 bis 1879 (mit Lücken).

Notwendig regelmäßige Eintragungen finden wir in den Geschäftsbüchern des Lederermeisters. Großformatig, dick und in Leder gebunden, sagen sie über landwirtschaftliche Betriebe in der Umgebung aus, mit welchen er geschäftlich zu tun hatte, d. h. was für Felle er für wen um welchen Geldbetrag verarbeitete.

Aus der Lederei bezog er seine alleinigen Einkünfte und sein künstlerisches Talent benutzte er lediglich, um in seiner freien Zeit Beobachtungen zu Papier bringen zu können. Arbeits- und Wohnbereich waren selbstverständlich existent, zu alltäglich jedoch, um ihnen im Bild Beachtung zu schenken.

Als weitere Charaktereigenschaft neben seinem künstlerischen Idealismus wäre ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein zu nennen. Jegliches Geschehen sollte nach einer tradierten Ordnung fortgeführt werden. Bei öffentlichen Angelegenheiten konnte er Abweichungen nur mit Hilfe einer scharfen Kritik strafen, seinen nächsten Lebensbereich mit seiner dominanten Art jedoch besser gegen Unregelmäßigkeiten abschirmen. Als solche kann die schon erwähnte Rückkehr der Schwester Maria Rosa genannt werden. Dies war die einzige Erwähnung im Jahre 1861, die nicht wetterkundlicher oder geschäftlicher Art war, also ein vielleicht sogar störend abweichendes Ereignis vom ruhigen Alltag im Junggesellenhaus Frey.

In der dominanten Persönlichkeit Josef Gabriels finden wir die Erklärung für das Schattendasein, das der kleine Bruder lgnaz, der „Bua“, ein Leben lang geführt hatte. Mit seinem malerischen Talent agierte dieser viel strebsamer, übte und studierte, indem er alte Meister kopierte und oft nach dem Vorbild Augsburger Kupferstecher des 18. Jahrhunderts arbeitete (Gustav Gugitz, Das kleine Andachtsbild in den österreichischen Gnadenstätten). Von einer Art Studienreise nach Deutschland sind Bilder erhalten.

Josef Gabriel Freys künstlerisches Interesse beschränkte sich räumlich auf das Gebiet um Weyer, zwischen den Tälern der Enns und der Erlauf.

Unseres Erachtens ist eine einzige Zeichnung mit einem Linzer Motiv entstanden, der „Freyberg“, ein Werk seiner nördlichsten, die Lithographien von und um Eisenerz – der Radmer z.B. – Werke seiner südlichsten Reise. Die diversen Hochofendarstellungen, wichtige historische Belege, beweisen Freys Interesse an Naturwissenschaftlichem als Basis der technischen Entwicklung seiner Zeit. In seinem Tagebuchkalender erwähnte er eine Reise nach Admont – wir fanden davon jedoch keine bildliche Dokumentation. Aus solch dürftigen Angaben kann man jedoch den Schluss ziehen, dass sich Josef Gabriel in seinem künstlerischen Interesse nicht an den Wertvorstellungen des Bildungsbürgertums seiner Zeit orientierte. Die schichtenspezifische Verehrung berühmter Orte wie Baulichkeiten vergangener Epochen und Museales im Gesamten scheinen keinen großen Eindruck auf ihn gemacht zu haben. Vereinsamt fanden sich zwei großflächige Aquarelle von Ampfelwang im Hausruckviertel. Ziel seiner Reise und gleichzeitiges Motiv einer Darstellung aus dem Jahre 1818 bildete das „Thalhamer Ledererhaus“.

KÜNSTLERISCHE BILDUNG ODER NICHT?
Das zweite Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts muss für Josef Gabriel Frey eine experimentelle Phase, eine Art jugendlicher Sturm- und Drangzeit beinhaltet haben. Ich stelle mir einen jungen Mann vor, in aufrechter Haltung, wie er sich auch im Alter stolz auf Fotos präsentierte, mit einer Pfeife mit Hundedarstellung im Mund. darin die Jahreszahl 1810 ungelenk eingeritzt, nachdenklich das schwärmerische Gedicht über die Freundschaft niederschreibend. Nur für diese Zeit lässt das Wissen über seine Person die Möglichkeit einer künstlerischen Schulung zu. Die nächstliegendste Gelegenheit eines Unterrichts, z.B.in Form des Zeichnens nach Antiken, hat es in Linz damals gegeben. Der Besuch solch einer ständischen Zeichenschule könnte die Existenz einiger Tuschskizzen erklären. Wuchtige Figuren der griechischen Antike, stilistisch in ihrer großflächigen Frontalttat, in ihrem komponierten Körperspiel und der klassischen Geschlossenheit entsprechen sie keinesfalls dem Können des signierenden „J. G. Frey 1812“.

Wahrscheinlich sind sie – wenn überhaupt von ihm stammend, als einzige Studien eines fremden Werkes zu bewerten.

EIGENHEITEN IN FREYS WERK
Neben stilistischen Kennzeichen seines Werkes, der flächigen Art zu malen einem Kolorieren innerhalb scharfer Konturen gleich, gibt es einige Charakteristika, die in ihrer naiven Art auf eine ländliche Künstlerpersönlichkeit hinweisen.

Im oberösterreichischen Kulturbericht meint Wilhelm Lemoch zur Signatur des Künstlers: „Seinen Namenszug pflegte J. G. Frey mit der Zeichnung einer Vogelschwinge auszuzieren, um damit anzudeuten, dass er als Junggeselle frei wie ein Vogel sei.“ Einem genauen Beobachter fällt weiter auf, dass der Laienmaler eine besondere Liebe zu Hunden hatte. Auf kaum einer Darstellung fehlt das Porträt seines Hundes, eine hochbeinige Jagdhunderasse und oft hat er sich mit seinem geliebten Tier „vortograviren“ lassen. Der Tod seines Gefährten ist malerisch und schriftlich überliefert – seit dem Jahre 1879 findet sich kein Hund mehr in seinen Darstellungen.

Als weiteres einfaches Charakteristikum aus der Tierwelt fällt eine Schar Vögel zwischen Kumulus-Wolken auf blauem Himmelsgrund auf. Die angeführten Merkmale dienten oft als Hilfsmittel bei der gelegentlich recht schwierigen ldentifikation eines Werkes von J. G. Frey. Auf der Grabtafel der Familie Frey bestätigen sie seine Mitarbeit, denn höchstwahrscheinlich handelt es sich hier um eine der Gemeinschaftsarbeiten der Brüder Frey. Das detaillierte historische Geschehen, die szenische Umsetzung der Stelle aus II. Makk. XII, 43 (J. Perndl), entstammt der kopiergeübten Hand des Ignaz, die Hintergrundgestaltung durch ein Landschaftsmotiv der Hand des Josef Gabriel. Letzterer hat als Zeichen seiner realistischen Einstellung zur Vergänglichkeit nach dem Tod unter die figurenreiche und farbenfrohe Szene noch eine Ansammlung von Gerippen gefügt. Uns mutet heute auch seine Vorstellung eines Totentanzen makaber an. Beidseitig, wie er viele für ihn wertvolle Blätter Papier zu verwenden pflegte, zeichnete er tanzende Gerippe in einer Gasthausstube – einmal mit und einmal ohne geschlechtsspezifische Kleidung. Diese Tusch- bzw. Bleistiftskizzen von 1874 können Vorzeichnungen zu einem leider verlorengegangenen „Totentanz“ sein, welcher sich – auf ein ausgespanntes Kalbsfell gemalt – unter dem Epitaph der Familie Frey befand (J. Perndl).

Eine Serie von Totenköpfen fertigte der Maler 1849 vermutlich gemeinsam mit seinem Bruder lgnaz für die Ausgestaltung der Weyrer Kirche zu Totenfesten an. Großflächige Leinwandbilder, neun Stück, zeigen jedes einen Totenkopf auf einem Rasen auf gekreuzten Gebeinen ruhend, verziert mit Blumen und Schlangen. Auf einer neubarocken Holztafel aus demselben Jahr greifen die „Frey“ das Motiv eines lachenden Totenkopfes nochmals auf. Der Tod muss für den Rationalisten Josef Gabriel Frey eher ein naturwissenschaftliches Phänomen gewesen sein. Auf sein hohes Alter und seine dafür erstaunlich gute Sehkraft hat er in einigen Spätwerken hingewiesen. Er starb mit 93 Jahren an Entkräftung, sein Bruder Ignaz folgte ihm am 15. Jänner 1890 „um 2 Uhr nachmittags an Altersschwäche“ nach. Keiner der beiden Brüder hinterließ Nachkommen. Der Name der Ledererfamilie Frey war damit in Weyer an der Enns ausgestorben, nur das Haus erinnerte in seinem originellen Stil bis zum Umbau 1972 an den Künstler Josef Gabriel Frey.

DER PATRIOT JOSEF GABRIEL FREY
Als Lederermeister und Hausbesitzer in Weyer zählte er sich zum ländlichen Bürgertum des 19. Jahrhunderts. Abgesehen von einem bemerkenswerten Standesbewusstsein verstand er seine Rolle innerhalb der Marktgemeinschaft als die eines Kritikers. Gemeinschaft war für ihn eine durch einen gemeinsamen Wohnort einander verpflichtete Gruppe, innerhalb der das Ausmaß der Verantwortung an den jeweiligen Stand gebunden war. Er beließ es aber nicht bei der gewissenhaften Erfüllung seiner eigenen Bürgerpflichten, er kritisierte jegliches Versäumnis durch andere Bewohner. In der „Feuerlösch-Ordnung des Marktes Weyer“ von 1858 fügte er handschriftlich Namen bei, welche keine Personen als Hilfskräfte für Notfälle stellten.

Die Aufmerksamkeit für das örtliche Geschehen, gepaart mit der Einbildung, in dieser Gemeinschaft Sozialisationsfunktionen ausüben zu müssen, machte Josef Gabriel Frey für Mitbewohner kaum zu einem angenehmen Kritiker. Seine teilweise sehr subtilen Methoden, jemanden, der seines Erachtens im Benehmen gefehlt hatte, zurückzuführen in eine notwendige Ordnung, beweisen überlieferte Werke, z.B. wollte und konnte er einen Fischdieb von weiteren Taten abhalten, indem er dessen Porträt an die Türe des Lusthauses neben den Tatort am Gaflenzbach malte.

Als strafender Repräsentant der geschädigten Dorfgemeinschaft trat er in den Bildern vom Brand am Marktplatz im Jahre 1851 auf. Er betont darauf schriftlich, dass jener Schaden durch die Unachtsamkeit einer „liederlichen Dinstmagd“ verursacht worden war.
Bei seinen Kritiken machte er – für uns ein Hinweis auf seinen josefinischen Charakter – auch vor kirchlichem Geschehen nicht halt. Meines Erachtens war er als Anhänger einer weltlichen Gesellschaftshierarchie von keiner auffallend religiösen Einstellung. In einer Aufzeichnung im Tagebuchkalender machte er seiner Empörung über ein Fronleichnamsfest Luft. Er beschwerte sich über die Unordnung im Festzug sowie im Festakt und über unpassende Teile der Rede.

Der Patriot Josef Gabriel Frey bewies seine kaisertreue Haltung in mehreren Bildern seines malerischen Werkes. Der Besuch Kaiser Ferdinands 1841 in Weyer gab Anlass zu feierlich wirkenden kolorierten Tuschzeichnungen, welche in mehreren Varianten heute Weyrer Bürgerwohnungen dekorieren. Auch dem Besuch Kaiser Franz Josefs mit seinem „Bua“ widmete er eine Darstellung. Die „Veteranen Fahnenweihe“ von 1876, von der Bevölkerung „Tausendmonabild“ ob der vielen abgebildeten Personen genannt, birgt noch eine aussagekräftige Spezialität. Gestrenge führte der Maler jene Bürger namentlich an, welche ihre Häuser zu diesem für ihn anscheinend sehr wichtigen Ereignis nicht beflaggt hatten und ruft dazu „Schande!“ In einer bunt kolorierten Tuschzeichnung ist uns ein „Plan zu einer neuen Karten zum Spielen“ mit handschriftlicher Erklärung aus dem Jahre 1861 erhalten. Josef Gabriel Frey offenbart sich hierin als Kaisertreuer, der seine Haltung bis zur letzten Konsequenz ernst nahm. Es widerstrebte ihm vermutlich, mit normalen Spielkarten zu spielen, in welchen das As, umgangsprachlich auch Sau genannt, mehr wert war als der König. Also entwarf er ein „Spiel Karte ohne König, und ohne Ass oder Sau, ist nicht schützlich, dass die Sau den König stiecht!“

Als den Bürgern 1848 das Recht gegeben worden war, ihrem eigenen Schutzbedürfnis folgend, paramilitärische Einheiten zu gründen, so bestand der Beitrag Josef Gabriel Freys im Erstellen einer Knabengarde. Dies war eine vorsoldatische Einrichtung in Weyer, mit dem Ziel, männlichen Jugendlieben eine Vorbildung in militärischem Unterricht Disziplin und Auftreten zu geben. Bilder dokumentieren den Ausmarsch der Kindergarde aus dem Haus des Gründers sowie ihre Anwesenheit zu feierlichen Anlässen auf dem Marktplatz in Weyer. Den dekorativen Abschiedsbrief für aus Altersgründen austretende Knaben signierte Josef Gabriel Frey mit dem Symbol der Vogelschwingen als „Commendant“. Die Knabengarde trat am Tag seines Begräbnisses im Jahre 1884 zum letzten Mal auf, wovon ein Foto erhalten ist.

Seine Anteilnahme am politischen Geschehen des Jahres 1848 bezeugt der Patriot in einer sarkastischen Seine Anteilnahme am politischen Geschehen des Jahres 1848 bezeugt der Patriot in einer sarkastischen aber subtilen Aktion. Er hängte als Rebus zu den drei Schlagworten der Revolution Häute aus: Treue, „Treuheit“ verglich er mit „drei Häut“, Gleichheit mit „gleiche Häut“ und als Symbol für die Freiheit hing er eben seine „Frey-Häut“ aus (J. Ganslmayr). Wir schließen uns W. Lernochs Meinung an, die lautet, er habe die Kalbshäute ausgehängt „womit er der Forderung nach Freiheit und Gleichheit genüge getan zu haben glaubte“ (Kulturbericht). Ansonsten kann sein obrigkeitsverehrender Bürgerstolz, vielfältig zutage tretend in seinem künstlerischen Werk, als Argument für seine ablehnende Haltung dem revolutionierenden·Geschehen gegenüber angeführt werden.

DER ARCHITEKT JOSEF GABRIEL FREY
Es existieren die Pläne. nach welchen er das Haus der Familie Frey, heute Unterer Markt 20, von einem einfachen ebenerdigen Bau in eine Art Festung verwandeln ließ. Auffällig an dem eingeschossigen repräsentativen Gebäude ist eine Dachform ohne Neigung. Der Betrachter sieht von dem horizontalen Dachabschluss nur die Ummauerung, eine Brüstung, deren Kuriosität darin bestand, dass Schießscharten eingebaut waren. Auf diesem Flachdach soll die Kindergarde exerziert haben.

Umbaupläne, nach welchen dieses Haus von den Nachbesitzern der Frey mithilfe einer barockisierenden Fassade einem Bürgerhaus historisierend gleichgemacht werden sollte, sind aus dem beginnenden 20. Jahrhundert vorhanden aber nicht ausgeführt. Erst im Jahre 1972 verschwand die Freysche Burg und wurde – diesmal keineswegs zur Freude der Bewohner Weyers – mit einem gemeinen Walmdach dem bürgerlichen Ortsbild angepasst. Hinweise auf architektonische Kuriositäten der Freyschen Ideen sind heute noch in zwei steinernen Fensterumrahmungen versteckt, welche Scheinläden darstellen sollen.

Vertreter des Weyrer Bürgerstandes zu sein, dokumentierte Josef Gabriel Frey des öfteren. Er signierte Malereien von größeren Ausmaßen mit dem Handwerkszeichen der Lederer: eine spitze Holzbutte, darüber zwei gekreuzte Gerbmesser und hie und da zusätzlich das senkrecht dahinter gestellte Falzeisen aus dem Gerberhandwerk. Zwei Löwen an den Seiten, oft in Gerberwappen auftauchend, bilden die Wappenträger seines Namens, noch heute ersichtlich als Stuckdekor an der Zimmerdecke der ehemaligen Wohnstube des Hauses Josef Gabriel Freys.

Nur wenige Objekte seines bürgerlichen Haushaltes sind heute noch aufzufinden. Bei diesen kann man insofern sicher in der Herkunft sein, da sie signiert und datiert sind. In Weyrer Privatbesitz fanden wir eine Godendose sowie einen Teller aus Feinzinn und Fotographien aus den späten sechziger und siebziger Jahren. Das Stammkrügel des Lederermeisters befindet sich im Flößermuseum.

Die architektonischen Eigenarten Josef Gabriel Freys, wie man sie in ausgeführter Form lediglich an seinem eigenen Haus finden kann, zeigen ihn als individualistischen Planer. Aus seinen festungsartigen Bauvorstellungen spricht eine gewisse Angst vor der Nähe der Mitmenschen. Es existieren Pläne zum Umbau imposanter Gebäude in Weyer, wie des „Getraidmagazins“ und der heutigen Pfarrkirche Maria Trost. Gemeinsam haben sie einen viereckigen Grundriss, über welchen sich ein einfacher blockförmiger Bau in rein linearer Geschlossenheit erhebt. Kennzeichnend ist die Idee der Dachform: Der horizontale Abschluss ist von einem Zinnenband bekrönt – nur die funktionale Abwandlung des mittelalterlichen Zinnenmotives? Interessant ist, dass sich der Architekt für die Ausgestaltung seiner Gebäude Stilmerkmale der Gotik borgte.

Als Vorbild für diese historisierenden Gedanken kann ein Frühwerk von 1838 gelten, eine Bleistiftzeichnung, erdfarben koloriert. Es handelt sich um das einzige Linzer Motiv im Werk des Josef Gabriel Frey, der „Freyberg bey Linz“ (der Namensgleichklang ist eher der Witz der Themenwahl als ein Schreibfehler). Dargestellt bis ins kleinste architektonische Detail ist das rohe Mauerwerk des Jesuitenklosters, bestehend aus einem Befestigungsturm und einer Kirche. In dieser Zeichnung finden wir zum ersten Mal die Zinnenbekrönung und die gotisierende Fenstergestaltung als markante Blickpunkte für das Auge des Zeichners hervorgehoben.

Alle Pläne weisen ihn jedenfalls als Vertreter einer romantischen Strömung des 19. Jahrhunderts aus, der Ritterromantik. Heute finden wir ein diesem Stil entsprechendes Gebäude ganz in der Nähe des Heimatortes von Josef Gabriel Frey. Das Schloß in Waidhofen an der Ybbs, welches mit seinen architektonischen Ideen vergleichbar, jedoch erst nach seinem Tod entstanden ist.

DER DENKMALSCHÜTZER JOSEF GABRIEL FREY
In seinen konservatorischen Bestrebungen kommt wiederum seine rührige Vorstellung von Bürgerpflicht zutage. Seinem Selbstbewusstsein scheint es Bedürfnis gewesen zu sein, Kritik in treffenden Zynismus zu kleiden. Seines Erachtens geschah es „auf Befehl der Sinnlosen“, dass im Jahre 1848 beide, den oberen Marktplatz begrenzenden Tore abgerissen wurden, ja er kommentierte dieses Treiben in einem Text zu einer Tuschezeichnung „Sihst da, Thore werden von Thoren vertrieben“. Jegliche denkmalpflegerische Aktion kennzeichnet den Lederer nicht nur als konservativen Traditionalisten, sondern auch als pedantischen Organisator. Gerade in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts fanden in Weyer modernisierend bauliche Veränderungen statt, wie eben die verkehrsgünstigere Öffnung des Marktplatzes. Zwischen 1847 und 1852 wurde auch die Wallfahrtskirche Maria Trost, die heutige Pfarrkirche von Weyer, vergrößert und, renoviert. Dass zu diesem Zweck alle Objekte aus dem Kirchenraum entfernt werden mussten, war Josef Gabriel Frey insofern zuwider, da er deren Wiederverwendung bezweifelte – in einer szenischen Darstellung dieses Geschehens lauert der Teufel hinter der Kirchentür. Vorwurfsvoll notierte er auf der Rückseite eines Kruzifixes, dass es „von der Kirche verstoßen“ worden war – seine Befürchtung hatte sich bewahrheitet. Wie eine konkurrierende Anklage entdeckten wir es in der 1852 errichteten Privatkapelle der Familie Auer neben der Pfarrkirche.


Maria Trost in Weyer
(Maria mit Kind im Strahlenkranz schwebt begleitet von zwei Engeln in Wolken
über der Wallfahrtskirche mit Friedhof)
Jos: Gab: Freÿ. 1832
25 x 14 cm
als Original-Lithographie im Januar 2013
von Herrn Dr. Werner Kortschak
an R. Weyer übersandt

Ein ähnliches Schicksal ereilte vier Engelsfiguren: „… sind 1846 aus der Marktkapelle, wo wir früher waren, von der damaligen Marktvorstehung hinausgeschafft worden, wir brauchen das Gnaschr nit…“ (Perndl, S. 15). Diese Inschrift trägt einer der Engel, welche sich heute mit Hilfe unseres Kritikers auf dem Schalldeckel der Pfarrkirchenkanzel befinden.

DIE BRÜDER FREY
Auf die Ausnahmen meiner obigen Behauptung, es gäbe kaum rein figurale Darstellungen im Werk Josef Gabriel Frey, muss hier näher eingegangen werden. dabei kann man sich aber nicht immer auf eine Signatur verlassen. Es existieren einige Porträts, die einem ähnlichen Anlass ihre Entstehung verdanken – einer Verwunderung über ein nicht alltägliches Ereignis. Es verwunderte den Maler, dass jemand im 58. Lebensjahr noch einrücken musste oder dass ein anderer noch anderthalb Stunden vor seinem Tod frisch und fröhlich anzutreffen war. Eben solche Personen malte er, ohne porträthafte Züge, nur die Konturen des Körpers mit festem Strich auf weißem Blatt festhaltend. Die dunklen Farben sind flächig deckend aufgetragen, seine Malerei ähnelt jedoch einer kolorierten Lithographie. Ein weiteres Charakteristikum sind die genauen Zeitangaben im erzählenden Begleittext der meisten Malereien.

Der zweite Bereich figuraler Darstellungen, die lithographischen Andachtsbilder, bereitet bei der künstlerischen Zuordnung einige Schwierigkeiten. Hierin gibt sogar oft die Signatur Rätsel auf. Als augenfälligstes Beispiel möchte ich hier die religiösen Blättchen für die Heimatgemeinde Weyer anführen. Für die Kirche Maria Trost finden sich mindestens zwölf Variationen einer Marienfigur im Strahlenkranz, über einer Außenansicht der ehemaligen Wallfahrtskirche schwebend. Sie unterscheiden sich inhaltlich im Landschaftsbild – mit oder ohne Spaziergänger oder Bäume, in der Architektur der Kirche – vor und nach der Renovierung, – in der Anzahl der Engelsköpfe sowie ob die Szene bei Tag oder bei Nacht stattfindet. Nur bei zweien aus dem Jahr 1842 lässt sich anhand der Signatur feststellen, dass es sich um ein Gemeinschaftswerk der beiden Brüder handelt: „Jos. Gab. u. lgn. Frey“. Die Hypothese der Gemeinschaftsarbeit an thematisch verschiedenartigen Bildern ließ sich im Laufe unserer Forschungen an weiteren Beispielen erhärten. Dort wo wir z. B. auf einem der vielen Aquarelle von Bränden in Weyer eine Teilung der Bildfläche in die Ansicht des Marktgeschehens unten und einer Himmelsszene in Wolken gehüllt darüber vorfinden, hat eine brüderliche Gemeinschaftsarbeit stattgefunden. Als Beweis dafür kann die Signatur „J: G: I. Frey Lederer gemalen“ auf dem Ölbild vom Brand des Fürstenhauses in Weyer im Jahre 1877 gelten.

Nur für ein einziges weiteres Andachtsbild ist die Gemeinschaftsarbeit der Brüder in der Lithographie belegt: „Jos: Gab: u: lgn: Frey. 1842 S: Mariahilf in Weyer“. Die zerstörte Mariahilf-Kapelle beinhaltete ein Marienbild mit Kind, eine der zahlreichen Arbeiten religiösen Themas des lgnaz Frey. Lediglich die Einbindung der gesamten Kapelle in eine Landschaft mit Bäumen und Spaziergängern ist Josef Gabriels Part. Wieweit diese thematische Arbeitsteilung auch in anderen Lithographien angewandt wurde, ist aus den Signaturen nicht zu ersehen. Für das früheste Andachtsbild vom „Heil. Anton von Padua in der Radmer“ gilt ein älteres desselben ortsgebundenen Themas als Vorbild. Für die graphische Umsetzung der Legende des heiligen Sebald vom Heiligenstein bei Gaflenz ist kein fremdes künstlerisches Werk als Vorbild bekannt.

So ergab sich, dass früher viele außenstehende Betrachter Werke „des Frey“ in Weyer einfach Josef Gabriel unterstellten. Dass der im Schatten stehende kleine Bruder lgnaz in engster Verbindung mit der Kirche stand, fiel an den erhaltenen Objekten im Pfarrarchiv auf. Dort finden sich Kirchenfahnen und zweidimensionale Holzfiguren religiöser Thematik – darunter auch die bekannte Fronleichnamsdekoration – teilweise mit seiner Signatur.

Verwirrend ist auch die Unterschrift „Frey“, welche sich im Laufe der Untersuchungen fast ausschließlich als Vermerk einer Gemeinschaftsarbeit entlarvte. Ich denke z.B.an einige erhaltene Dioramen mit Krippendarstellungen. Ansonsten handelt es sich zumeist um eine Restaurierungstätigkeit an Ölbildern – einer Sonntagsberger Dreifaltigkeit beispielsweise, wie wir sie auch von Ignaz Freys eigener Hand kennen, oder an den riesigen Szenen der Legende des hl. Sebald in der Kirche auf dem Heiligenstein (s. Grüll, S. 15 und Linzer Tages-Post, Jg. 1904).

Mittels solcher Belege lässt sich auch die Hypothese der inhaltlichen Trennung weiterverfolgen: der religiöse Teil des Ignaz setzt sich räumlich und in seinem barock-pathetischen Stil deutlich vom Part des Landschaftsmalers Josef Gabriel Frey ab.

In Neudorf bei Weyer befindet sich eine private Familienkapelle aus dem Jahre 1847, deren gemalter Holzaltar einen marmornen vortäuschen will. Über dem Altartisch befinden sich zwei goldfarben auf Holz gemalte Heiligendarstellungen, ähnlich eine Serie bildend wie die sieben Tafeln der Taufbeckenverkleidung von 1853 aus der Kirche Maria Trost, signiert mit „Frey“, sowie den Brüstungsfeldern der Kanzel von ebendort. Lässt der einzige arbeitstechnische Hinweis auf dem Altarbild in der Neudorf-Kapelle „Jos: Gabr: und Ignaz Frey alles 1847 neu gefast und gemalen“ unterstützt von jeglichen stilistischen und inhaltlichen Übereinstimmungen mit den Werken in Maria Trost letztlich den Schluss zu, dass es sich bei allen Werken um reine Restaurierungsarbeiten handelt? Oder hat der in religiösen Themen geübte lgnaz Frey eigenschöpferische Ideen beigesteuert? Wie kommt es dann, dass sich auf der Kanzel, von der man weiß, dass sie von Josef Gabriel Frey neu gefasst worden war (Perndl, S. 21) seine alleinige Unterschrift findet? Dieses Problem konnten wir wegen der Dürftigkeit passender Quellen nur auf die oben beschriebene Weise aufrollen. Die konventionelle kunsthistorische Methode beschäftigt sich nicht in dem Ausmaß mit der Persönlichkeit eines Künstlers, als es aus volkskundlicher Sicht für das Verständnis seines Schaffens notwendig schien.

BLEIBENDE WERKE FÜR WEYER
Josef Gabriel Frey war vermutlich nur insoweit ein religiöser Mensch, als er seine Zugehörigkeit zum Bürgerstand als Verpflichtung nach außen hin verstand. Sein standesbewusstes Interesse wandte sich eher der weltlichen Gesellschaftshierarchie zu. Aus dem Garten des Fürstenhauses in Weyer, schräg gegenüber seiner Ledererwerkstätte, borgte er sich oftmals Motive für Dioramen zu den Jahreszeiten. Szenen des bäuerlichen Arbeitsjahres, die sich in der Umgebung von Weyer abspielen, sind mit ausgeschnittenen Papierfiguren und natürlichen Materialien zu bühnenartigen Dioramen vereinigt, die mit stark farbiger Bemalung attraktive Blickpunkte hinter Glas bilden.

Der Brand des Fürstenhauses muss Frey arg getroffen haben, da er ihn in mehreren Exemplaren in starker nächtlicher Farbigkeit dokumentiert hat.

Für seine Heimatgemeinde Weyer gestaltete der Lederer einige künstlerische Repräsentationsmotive, z.B. das Wappen, welches er nach einem Wappenbrief des 16. Jahrhunderts kopierte und sowohl für die Gemeindetruhe und als Bild für die Amtsräume als auch als heraldischen Dekor an der Außenwand des Gemeindeamtes malerisch verarbeitete.

In all diesen Darstellungen finden wir die Figur des Bibers vor. Dieses Weyrer Symbol leitet sich ab aus der Gründungslegende des Marktes Weyer, wonach die Biber den Damm eines Weihers unterhöhlt hatten, welcher nach seinem Verschwinden der danach benannten Ansiedlung Platz machte. Josef Gabriel Frey verwendete den Biber in mehreren Entwürfen für einen im Jahre 1839 ausgeführten oberen Marktbrunnen, ein Pendant zur Löwenfigur des unteren Brunnens aus dem 17. Jahrhundert. War es Zynismus oder Unwissenheit, dass gerade der naturwissenschaftlich so interessierte Künstler in späteren Skizzen und letztlich in der Ausführung dem vegetarischen Biber einen Fisch in das Maul legte? Oder musste die Realität hinter solch einer Kombinationsmöglichkeit zum Zwecke der Erwähnung der Bedeutung von Fischen für Weyer zurückstehen?

Die meisten seiner Skizzen in Bleistift oder Tusche zeigen Landschaften, die Angabe der Himmelsrichtungen darf dabei nicht fehlen. Oft bilden ortsgeschichtliche Ereignisse, eine abgegangene Mure, die Umgebung vor dem Bau der Eisenbahn 1872 und danach oder die Errichtung der Brücke für Josef Gabriel Frey den Anstoß, seine künstlerischen Werkzeuge in der freien Natur zu zücken. Wie es seine Art war – aber nicht, ohne Korrekturvorschläge auszuarbeiten; in diesem Fall, wie etwa die Fahrstrecke der Eisenbahn nach seinem Laienauge landschaftsmäßig vorteilhafter zu bauen gewesen wäre.

Sein Werk entstand also nicht um des Zeichnens oder Malens willen. Außer der Offizin Hafner in Linz sind nur Auftraggeber aus der Umgebung von Weyer bekannt. Erst zwei mächtige in Leder gebundene Geschäftsbücher mit Eintragungen ab 1830 bzw. ab 1850 geben genauere Auskunft über die finanziellen Verhältnisse Josef Gabriel Freys. Die Eintragungen betreffen die gesamte Ledererwerkstatt, d. h.es sind Ausgaben und Einnahmen der Brüder Ignaz und Josef Gabriel vermerkt, ohne die Tätigkeit der beiden unterscheiden zu können. Es zeigt sich aber deutlich, dass die Malertätigkeit kein Hobby des Lederermeisters war, sondern dass er die Produkte seiner Fähigkeit sich sehr wohl zu genau differenzierten Preisen bezahlen ließ. Ein eigenes Konto hatten Bauern und Schuhmacher, Sattler und Wirte, Buchbinder, Müller usw., alles Personen aus Freys Handwerkskreis.

Auffällig ist der enge regionale Radius, der sich auf Weyer und Umgebung beschränkt, viele Kunden scheinen aus Kleinreifling, Hollenstein und Großraming auf. Auftragsarbeiten bei der Malertätigkeit waren vor allem Renovierungen und Vergoldungen. In der Pfarrkirche in Weyer wurde die Kanzel neu gefasst, was 100 fl kostete und in den Jahren 1837 bis 1840 vom Pfarrer in Raten bezahlt worden ist. 1852 scheinen nochmals Arbeiten für die Pfarrkirche Weyer auf: Marmorierungen, Verzierungen, Vergoldungen. Neben dem Schnitzen und Vergolden von Heiligenfiguren und Bilderrahmen nahmen die Brüder Frey auch größere Aufträge an, wie 1852 die Ausstattung einer Kapelle am Kirchbühel; sie berechneten der Familie Auer dafür 48 fl. In den Geschäftsbüchern sind auch Aufträge für Innenräume verzeichnet, etwa das Ausmalen eines Sommerhauses in Hollenstein 1832. Hierbei könnte es sich um Fresken gehandelt haben, wie sie heute noch in einem Nebengebäude des Hotels Post in Weyer erhalten sind. Für die Stirnseite einer neuen Schmiede malte Frey einen Florian.

Durch fast vierzig Jahre ziehen sich die Aufträge für Epitaphien. Die Werkstatt Frey verrechnete gelegentlich Schlosser- und Spenglerarbeiten extra, sie lieferte also das fertige Produkt. Der Preis für Epitaphien lag zwischen vier und fünfzehn Gulden, was beweist, dass die Ausstattung nach Wunsch des Auftraggebers variiert werden konnte. Dies war bei Lithographien aus der Hafner-Offizin nicht möglich. Preisunterschiede bezogen sich hier auf den Verwendungszweck des fertigen Blattes, auf Briefpapieren, Ansichten usw. sowie auf die Kolorierung. Josef Gabriel Frey verrechnete zwischen ein und zwanzig Kreuzer pro Blatt, durchschnittlich kostete ein Briefpapier acht Kreuzer.

Freys künstlerische Ideen scheinen gefragt gewesen zu sein. Erwähnt wird ein auftragsmäßiges Erstellen eines Hausplanes sowie die Verrechnung von 2 fl 50 kr für drei Pläne zu den Marktbrunnen.

Von den Gasthaus- und Handwerksschildern sind nur noch wenige Beispiele vorhanden, verloren sind Transparent-Bilder oder „Roletten“, wohl dekorativ bemalte Sonnenrollos oder Vorhänge.

Kaum mehr aufzufinden werden die Getreidesäcke sein, für welche Frey Sackstempel angefertigt hat, sowie die Stammbuchblätter, die oft Auftragsarbeiten waren. Heute noch in den Häusern von Weyrer Bürgern zu besichtigen sind Krippen aus der Frey-Werkstatt. Da sie nur zu gewissen festlichen Zeiten in Verwendung sind, wurden sie als wertvolle Erinnerung an die Brüder Frey bewahrt. Die beiden Geschäftsbücher beweisen, dass der Lederermeister Frey seine künstlerische Begabung genau so als Erwerbszweck gesehen und genutzt hat, wie sein bürgerliches Handwerk. Er stand für ästhetisch­ornamentale Bedürfnisse einer regionalen Bevölkerung als künstlerischer Handwerker zur Verfügung.

Dass wir heute mehrere kolorierte Tuschzeichnungen mit dem Thema diverser Brände vorfinden, erklärt sich daraus, dass eine Feuersbrunst für eine Ortschaft und ihre Bevölkerung einzigartig schauerliche, lang andauernde Folgen hatte. Und Josef Gabriel war der einzige, der solche Tragödien für die Betroffenen erinnerungswürdig festhalten konnte. Daher finden wir das auf Holz gemalte Bild vom „Brand von 1881, den 6. Tag in Juni, beim Inselbacher in Küpfern“ in nur einer Ausführung bei der betreffenden Familie. Dass ein Brandstifter am Werk war, vermerkte der mahnende Kritiker im Text.

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