Diakonisse
Paula
W E Y E R

Zur Erinnerung an unſere
Schweſter  P A U L A  W E Y E R  (1890–1957)

Jedesmal, wenn eine Schwester aus unserm Kreise heimgerufen wird, stehen wir vor der ernsten Frage: "Was gab diesem vollendeten Leben seinen Inhalt, sein Gepräge und seinen Wert?" Ob die Lebenskreise weit oder eng waren, die Spuren tief oder flach, der Einfluß bedeutend oder gering — wer will das entscheiden?

Wenn es um das Allerletzte geht, werden menschliche Maßstäbe brüchig. Unsere Urteile gelten nicht auf der anderen Seite — in der Ewigkeit! Freilich dürfen und sollen wir versuchen, soviel wie möglich zu verstehen vom andern, der mit uns wandert. Aber wenn er dann von uns geht in stiller Stunde und die Augen schließt für immer, was dann? Haben wir ihn wirklich gekannt? —


Foto: R. Weyer, 11.10.11 | Solingen-Aufderhöhe | Eph. 2, 10

So rief der HErr am 14. August unsere liebe Schwester Paula Weyer heim. Sie hatte, da sie schon längere Zeit leidend war, in großer Nüchternheit, fast herb vom Sterben gesprochen. Aber hinter diesen herben Art lebte die starke Gewißheit: "Ich steh in meines HErren Hand und will drin stehen bleiben…" Dieser führenden Hand ihres HErrn war sie von früher Jugend an gefolgt. Geboren in Dreisbach im Siegerland, hatte sie schon in der Jugend frühe den Vater verloren. Aber die Mutter hat sie dann doch aus dem Kreis der Kinder im Jahre 1912 nach Wetter ins Diakonissenhaus "Bethanien" ziehen lassen, weil der HErr sie gerufen hatte. Und in des Meisters Führung hat sie manche Arbeitsfelder "Bethaniens" kennengelernt: Kirn, Essen, Dresden, Eisleben, Barmen, Quellendorf. Ihr Dienst galt den Elenden und Kranken. Ihr Meister war der HErr!

Die längste Zeit verbrachte sie im Stadtkrankenhaus in Eisleben (1927–1947), dem sie in den letzten Jahren als Oberschwester vorstand. Nach der Rückkehr unserer Schwestern aus Mitteldeutschland übernahm sie noch den Dienst als Gemeindeschwester in Klafeld-Geisweid für fünf Jahre. Daß diese Jahre gesegnet waren, merken wir an der regen Anteilnahme der Geschwister von Geisweid bei der Beerdigung. Die letzten vier Jahre ging Schwester Paula hier in Aufderhöhe durch einen "tätigen Feierabend". Ihre Hände mochten nicht ruhen. Sie strickte Handschuhe und Strümpfe für die Kinder in Borken und Lensahn.


Paula und Emilie in Eisleben | um 1935 | Foto: Privatbesitz Weyer

Ueber der letzten Wegstrecke lag die getroste Zuversicht: "Wie Gott mich führt, / so will ich gehn / ohn' alles eigne Wählen!" Gott hatte ihr Gaben und Kräfte gegeben, die sie in Seinem Dienst gebraucht hat den Menschen zum Segen und Ihm zum Preis.

Sind wir alle bereit zu beten: "Hier hast Du meine beiden Hände…!"? "Jesus der HErr, will uns brauchen, / ein Sonnenstrahl zu sein!"

aus: Der Gärtner, Zeitschrift der freien ev. Gemeinde, 37/64 (1957), S. 738

Schwester von Eduard Weyer jun.

Brief von Paula an Emilie

Lutherstadt Eisleben, den 11.4.47

Liebe Emilie!
Heute erhielt ich Deinen Brief vom 25.3. - recht herzlichen Dank dafür, habe mich sehr gefreut darüber. Inzwischen werdet Ihr doch 2 Päckchen erhalten haben, 1 mit Samen und das Andere mit Zucker. Hatte doch gedacht eins wäre doch schon in Deinem Besitz, aber augenblicklich geht es nochmal sehr langsam mit der Post. Es freut mich dass es Dir wieder besser geht; wir kommen in das Alter in dem schon allerhand Alterserscheinungen auftreten. Dass Emma so krank war tut mir leid. Nun wird sie wieder tüchtig abgenommen haben.
Mich wunderte schon immer dass Flicks nicht mal schrieben und nun hat Liesel eine Karte geschrieben, sie versprach einen ausführlichen Brief noch zu schreiben. Ostern haben wir in aller Stille verlebt, das Wetter war recht unfreundlich wie es selten am Osterfest ist.

Nun ist Horst-Günther auch aus der Schule, er wird doch: sicher dem Vater helfen. Was ist doch früher viel um die Kleidung der Konfirmanten gemacht worden und heute können sie noch nicht mal einen einfachen Anzug bekommen und mit den Schuhen dasselbe. Hier geht es auch so.
Die Tauschgeschäfte machen können, bekommen auch alles. Man kann sich garnicht denken, dass Gott dem deutschen Volke nochmal gnädig sein kann, ob all der Ungerechtigkeiten. Mit den Lebensmitteln ist es einigermassen, 'wir sind sehr bescheiden geworden ‚ wenn wir Pellkartoffeln mit Sosse haben ohne Fett, sind wir schon zufrieden.

3 x die Woche gibt es Suppen (Möhren, oder Graupen, oder Erbsmehl)
Zu meinem Geburtstag hatten mir die Schwestern paar Eier geschenkt und Gelee und so noch verschiedene Kleinigkeiten zum Essen, worüber ich mich sehr gefreut habe, somit habe ich denn immer mal was zur Stärkung und nehme es aus des Herrn Hand der uns nicht verlässt.

Ich muss sagen‚ wenn ich. auch früher keine grossen Ansprüche an das Leben gemacht habe, so habe ich in dieser Notzeit immer genug gehabt. Hatte ich Dir schon geschrieben dass wir Schwestern von der Schwedenspende Milchpulver, und Boullionwürfeln geschenkt bekommen haben. Die Schwedischen Geschwister waren auch In Siegen, soviel wir gehört haben. So Gott will gedenke ich im Juni in Ferien zu fahren, dann bringe ich mal ein, Probe mit. Wenn ihr nun nicht viel Kartoffeln habt ‚ dann muss ich wohl mal Hamstern gehen.

In Eversbach ist im Juni eine Konferenz zu der ich auch mal hin möchte.
Dann haben die meisten Schwestern keine grosse Lust mehr in dem russ. Gebiet zu bleiben, zu denen auch ich gehöre. Schwester Lydia wollte bald mal nach hier kommen und ich denke‚ dass sich dann alles entscheidet. Wir haben doch eine ganz andere Verwaltung im Haus, die uns nicht zusagt, und misstrauen hervorbringt, was wir nicht gewohnt waren. Wir möchten ja keine eigene Wege gehen, sondern der Herr muss uns den Weg zeigen und ebnen. Bis dieser Brief wieder dort ist, hat sich vielleicht schon allerhand entschieden.

  Für heute genug

Grüsse bitte alle Lieben von mir.
Besonders grüsst Dich Deine Schwester Paula

Gedicht für Paula,
das wahrscheinlich zu ihrem 50. Geburtstag 1940 geschrieben wurde.
 
Heute lenken wir die Schritte,
25 Jahr zurücke,
Dort zieht in Bethaniens Heim
'ne Siegerländer Schwester ein.

Hausfrau wollte sie nicht werden,
drum ist sie Schwester hier auf Erden.
Pfleget Kranke groß und klein,
machet den Kleinsten die Windel rein.

Als die Vorprobe war beendet,
nach Kirn an der Nahe man sie sendet,
ei, wie hier die Zeit verrann,
hier war sie als der Weltkrieg begann.

Privatpflege hat sie dann genossen,
das waren oft recht schwere Wochen.
Denn in der Zeit der Kriegesnot
da war die Nahrungssorge groß.

Examen machte sie in Essen,
dieses wird sie nie vergessen,
denn Essen war ein großes Haus
da gingen viele ein und aus.

Dann führt Ihr Weg ins Sachsenland
zu Dresden an der Elbestrand.
In einer Privatklinik wunderbar
hat sie gearbeitet wohl ein Jahr.

Einst sie auch nach Barmen kam
Ferienvertretung sie sie übernahm.
Zimmer u. Bett wollt ihr nicht gefallen,
„ich reise ab – ich sag’s euch allen.“

Doch nach langem hin und her
wurde doch ein Bett noch leer.
Und wisst ihr auch wie dies geschah,
ein Patient gestorben war.

Gemeindearbeit hat sie kennen gelernt,
für diese sie noch immer schwärmt.
Mit dem Rad bergauf – bergab
viel Dörfer sie zu versorgen hat.

Viel Elend sah sie in den Hütten.
Doch ihre Art war zu beglücken.
Sie brachte mit sich Sonnenschein
das linderte der Kranken Pein.

Drum hört man heut noch aus der Fern
wir hatten Schwester Paula gern.
Die Schwarze, die gefiel uns gut
ob sie uns noch besuchen tut?

Doch einst bestimmt das Mutterhaus
Du kommst jetzt aus der Gemeinde raus
Nach Eisleben wurde sie versetzt
Da ist sie noch Stationsschwester jetzt.

Früher war es anders doch,
da strich sie unsre Möbel noch.
Sie hantierte wie ein Meister
mit dem Pinsel und dem Kleister.

Schwester Mariechen war ihr Lehrgesell
so ging die Arbeit gut und schnell.
Und „die Acht“ – das Krankenzimmer
glänzte bald im hellen Schimmer.

Wir erwähnens auch nicht ungern,
als sie sich kaufte den Box tengor
(Kamera)
Was ihr Auge liebt und sah,
auf der Platte wieder war.

Dann saß sie oft bis späte Nacht
hat in der Dunkelkammer Bilder gemacht.
Und hatte sie am Tage frei
holt sie schnell die Kamera herbei.

Und eines Sonntags in der Früh
plant Schwester Paula eine Radpatie.
Sie wollt mit ihrem Räderpferdchen
heimlich fort durch Feld und Gärtchen.

Doch sollt sie diese Freud nicht haben
sie lag schon hinterm Tor im Graben.
Sie hätt bald Hals und Bein gebrochen
da ist sie schnell in’s Haus gekrochen.

Schwester Helene fiel vom Stengel ja
als sie Schwester Paula sah.
Was ist nur mit ihnen los?
Sie haben ja Beulen riesengroß!

Doch trotz der langen Schwesternzeit
besitzt sie noch die Eigenheit,
beim Erzählen wird sie puderrot
ob sie s nicht bald verlernen tut?

Und so kommen wir zum Schluss,
weil alles einmal enden muss.
Wir hätten gern noch mehr erzählt
doch die Zeit hat uns gefehlt.

Wahrscheinlich 1940 zum 50. Geburtstag

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